Nach den Corona-Festjahren in 2020 und 2021 war wohl nicht nur für mich der Ukraine-Krieg in diesem Jahr DAS bestimmende Element, mehr als nur das übliche politische Hintergrundrauschen, sondern sehr alltäglich bei mir. Da waren die zwei Klassen (!) an DaZ-Schülys, die nun mehr an unserer Schule aufgenommen wurden. Wir personell nicht wussten, wie wir das abdecken können, es kollegial trotzdem irgendwie schafften. Da waren die Konflikte innerhalb meines Geschichtsprofils, wo eine Ukrainerin mit einer Russin nun nach jahrelanger Freundschaft getrennter Wege gehen, weil sie es psychisch nicht bewältigen konnten, sich nicht als Opfer oder Täter zu sehen.
In meinem exklusiven Beamtentum machte mir die Gesamtsituation zu schaffen. Die Schülerinnen und Schüler sind so gezeichnet von den letzten Jahren, finanziell geht es vielen Familien nicht gut. Echte Hilfsangebote sind knapp. Einige Familien gehen unnötig in den Krawall mit uns Schule, andere Elternhäuser sind kaum für die Problemlage ihrer Kinder durch uns erreichbar. Meine pädagogische Arbeit war 2022 sehr mühsam und erschöpfend.
Die Veränderungen in der Kernfamilie gingen weiter und weiter. Ich regele Dinge für die Pflege meiner Mutter, bin ob der finanziellen Entwicklungen mit Einführung der Pflegereform im Herbst mental grenzwertig belastet, aber irgendwie wird es schon gehen, die Kosten für das Heim als Familie zu tragen.
Papa lässt mich nun gewähren, das Gewerbe nach 31 Jahren abzuwickeln. Mittlerweile telefoniere ich jeden Tag mit ihm, da er nicht mehr klar kommt, wie der Tagesabschluss an der Kasse gezogen wird. Ich kann nur hoffen, dass die Altersdemenz nicht zu schnell umgreifend wird, es wie derzeit nur weiterhin Zahlen/Uhrzeiten betrifft.
Oma ist nach einem weiteren Hirnschlag und der Verweigerung von medizinischer wie pflegerischer Hilfe im Mai mit 88 Jahren gestorben. Es war ein selbstbestimmter Weg bis zum Schluss. Plötzlich standen meine Sis und ich da mit dem Spreewälder Bauernhof, den 8 Hühnern, dem Hahn, den 5 Katzen, den ungeklärten Pachtverhältnissen, mit einem modernem Knecht (der uns tatsächlich bis heute die aller größte Hilfe ist, dort klar Schiff zu machen).
Nebenbei waren alle mal im Krisenmodus: Geld, Klima, Gesundheit, Beziehung. Irgendwas zu Jammern gab es immer. Sich davon abzunabeln, fiel mir recht schwer.
Symbolbild 2022
Kathedrale der Kindheit
Zugenommen oder abgenommen?
Am Ende geht es weniger um die Kilos, als um das Wohlfühlen. Mein Spiegelbild plagt mich nicht jeden Tag, aber weniger wäre nicht nur schöner anzusehen, sondern nützlich für Leber und Co.
Mehr bewegt oder weniger?
Zu wenig bewegt, die 10.000-11.000 Schritte nicht häufig genug erreicht.
Haare länger oder kürzer?
Gleiche Länge, gleiche Frisur.
Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
Gefühlt beginnt langsam die Altersweitsichtigkeit, die Akkomodation fällt mir vor allem in schlecht ausgeleuchteten Klassenräumen etwas schwer. Zumindest fällt mir ein Unterschied mit dem rechten zum linken Auge auf.
Mehr Kohle oder weniger?
Schwankend, aber ein bisschen mehr. Erst kam der Mieterwechsel für das Renditeobjekt Häuschen im Spreewald. Im November dann mit einem Jahr Verzug die Bestätigung zur A14, Frau Oberstudienrätin verdient nun etwas mehr. Nach den Sommerferien habe ich zudem wieder auf Vollzeit aufgestockt.
Im Depot dagegen sieht es unfassbar schlecht aus. Lediglich vier grüne Monate im ETF-Portfolio gehabt, nahezu alle Zuwächse aus 2020 und 2021 gingen in diesem Jahr verloren. Aber ganz dem Anlage-Mantra Buy and hold folgend: es werden sicher bessere Zeiten kommen.
Mehr ausgegeben oder weniger?
Einige Investitionen am Haus veranlasst, damit es die neuen Mieter schön haben. Es mir selbst im Alltag gut gehen lassen, jedoch keine anderen Knallerausgaben provoziert.
Die teuerste Anschaffung(-en)?
Der Corsa war nicht mehr groß zu reparieren, für die ständigen Touren in den Spreewald musste ein neues Auto her. Gefühlt drei Generationen an Elektronik in Autos übersprungen. Was es nicht alles an Support in einem Auto gibt!
Der hirnrissigste Plan?
Ich wollte mal eine Doktorarbeit schreiben… Die Entwicklung von der Idee in 2015 bis hin zur Anmeldung 2019 war perfekt, zuletzt fehlte die Kraft, konsequent noch Zeit für die Fortführung des Projektes zu haben.
Die „gefährlichste“ Unternehmung?
Die 4. Schutzimpfung abgeholt.
Das leckerste Essen 2022?
Im Juli im Blog von Buddenbohm & Söhne die finnische Lachssuppe entdeckt. Simple und so gut! Seitdem sicher an die 5x zu unterschiedlichen Anlässen gekocht. Zuletzt als Hauptgang zum 1. Weihnachtsfeiertag. Papa hats gemundet – das sagt alles.
Getränk(-e) des Jahres?
Rotkäppchen Sekt Rosé.
Glühwein mit Kardamom.
Das beeindruckendste Buch?
Immun von Philipp Dettmer [Mit extremen Längen, wenn man Biologe ist, aber trotzdem perfekt aus Lehrersicht zu lesen.]
Der ergreifendste Film?
Im Streaming The Spy. Im linearen Fernsehen „Pour une femme“. Vorhandene Bildungslücken – dem NDR sei Dank – durch „Der rosarote Panther“ und Hitchcocks „Die Vögel“ geschlossen.
Die beste Musik?
Deichkind In der Natur [Erst nur vom Songtext angefixt, später begeistert das Video gesehen. Einige Schulklassen mussten leiden, weil ich so eminente Kulturgüter natürlich mit ihnen teilen muss.]
LIE NING Utopia
Vieux Farke Touré & Khruangbin Savanne
Für meine Dance-Seele:
Röyksopp ft. Astrid S Breathe [#offtopic Astrid hat mal ziemlich bekannt im norwegischen PopIdol mitgemacht.]
RÜFÜS DU SOL See you again
Das schönste Konzert? Der schönste (Comedy-)Auftritt?
./.
Die tollste Ausstellung?
Es endlich ins Schloss Gottorf nach Schleswig geschafft, um mir das Landesmuseum SH anzusehen.
Die meiste Zeit verbracht mit …?
… abwesenden und anwesenden Familienmenschen und -themen.
Die schönste Zeit verbracht mit …?
… J. bei Regen am Kamin im Mökki am Kataloistenjärvi in Finnland sitzend.
Der beste Sex?
So ur-alte Leute wie ich haben keinen Sex mehr. ;)
2022 nach langer Zeit wieder getan?
In einem Musical mit mehreren 1000 Menschen sitzen.
2022 zum ersten Mal getan?
Dem Tod ins Gesicht schauen. Oma sah friedlich dabei aus.
Drei (?!) Dinge, auf die ich gut hätte verzichten können?
1. Der Tod von Oma im Mai. Der uns Mädels nun mit einem elend, unnötigen Familienkonflikt als Arbeitsauftrag zurücklässt.
2. Der Versuch, Mutti vom Tod ihrer Mutter zu erzählen. Ich weiß bis heute nicht genau, ob sie es verstanden hat. Welche Tiefenstrukturen von Erzählungen noch bei ihr ankommen? Sie fehlt uns sehr beim Beräumen des Hauses. All die Geschichten von einzelnen Erbstücken, die wir nun nicht mehr weitertragen können.
3. Meine erste und bisher einzige Corona-Erkrankung in der letzten Juniwoche vor den Sommerferien.
4. Grundsteuererklärungen im Allgemeinen.
5. Das Klassentreffen im Oktober im Speziellen.
Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Auf Wohnungssuche zu gehen. Eventuell zusammen ein Haus zu kaufen.
Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Wie letztes Jahr: Kümmern. Sicherheit. Alles im Blick behalten. Den Lebensabend organisieren.
Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Meinen Familienstammbaum zum Teil bis in die 8. Generation zurück zu recherchieren. Einfach so, weil diese Person Spaß daran hat, sich durch alte Kirchenbüchern zu wälzen, frühere Lebensbedingungen verstehen zu wollen.
Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
„Hü…“
„Ich hab dich lieb.“
Vorherrschendes Gefühl 2022?
Wann habe ich eigentlich mal wieder Zeit nur für mich?
Was ich 2022 über mich gelernt habe?
Wirklich ein Hilfsangebot anzunehmen oder nach Hilfe zu fragen, schadet mir gar nicht und macht die Gegenseite sogar glücklich. WTF!
Wichtig war auch, dass ich mich von „geglaubten Freundschaften“ gelöst habe. Wer ist wirklich da, wenn es ernst wird? Nicht mit allen Menschen muss ich bis zur Verleugnung meiner Selbst in Kontakt bleiben oder bin ihnen irgendetwas schuldig.
2022 war in einem Wort / in einem Satz …?
… der Ponyhof ist vorbei. Mit dem Alter kommt die Verantwortung.
[Hier geht es zu den alten Beiträgen: 2021, 2020 als Fotorückblick, 2019, 2018, 2017, 2016, 2015.]
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